Dienstag, 25. November 2025

Der Stromausfall


Zuerst war es nur ein kurzes Flackern. Dann Dunkelheit.

Er war gerade auf dem Rückweg von einem Termin, als das Licht in den Häusern ringsum erlosch. Ein ganzer Strassenzug versank im Schwarz.
Für einen Moment blieb Anton stehen, das Navi leuchtete einsam auf dem Armaturenbrett, ohne Richtung, nur noch eine blinkende Karte.
Der Radioton brach ab – kein Signal, kein Sender. Nur Rauschen.
Dann war Stille. Diese Stille, die entsteht, wenn Technik plötzlich aufhört, Antworten zu geben.
 

Er kannte die Zahlen: Im Schnitt dauern Ausfälle in der Schweiz selten länger als ein paar Minuten. Aber dieser hier zog sich. Zehn, zwanzig, dann sechzig Minuten. Und mit jeder verstrichenen Minute wuchs das Flackern hinter den Fenstern – nicht von Licht, sondern von Unruhe.

Er stieg aus, ging über die Strasse.
Vorhänge bewegten sich, Stimmen flüsterten. Irgendwo klirrte Glas. Ein Mann trat aus seinem Haus, Handy in der Hand, fluchend. „Nichts geht mehr. Router tot. Alarmanlage tot. Alles aus.“
Anton nickte. „Wie lange schon?“
„Fast zwei Stunden.“

Er wusste, was das bedeutete.
Die meisten Systeme, die er kannte, hatten Batterien - Backup für sechs, acht Stunden. Danach würde es still werden. Auch dort, wo man glaubte, sicher zu sein.

„Sie haben eine Anlage von uns?“ fragte er beiläufig.
Der Mann nickte. „Superior Hybrid. Warum?“
Anton lächelte leicht. „Dann haben Sie Zeit. Noch etwa sechzig Stunden.“

Ein Hauch von Erleichterung huschte über das Gesicht des Mannes.
„Und was, wenn es länger dauert?“
Anton blickte die Strasse hinunter. „Dann greift etwas, das keine Batterie braucht: Nachbarschaft.“

Im nächsten Haus öffnete sich eine Tür, Kerzenlicht fiel auf den Gehweg. Eine ältere Frau stand dort, den Hund auf dem Arm. „Ich höre dauernd ein Piepen! Ist das gefährlich?“
„Nur die Notversorgung,“ erklärte Anton ruhig. „Ein gutes Zeichen es zeigt, dass etwas wacht.“

Er ging weiter, von Haus zu Haus, wie ein Schatten mit Taschenlampe.
Er sah, wie Menschen sich begegneten, die sonst nur im Vorbeigehen nickten. Einer reichte Streichhölzer, jemand brachte eine Thermoskanne. Eine Nachbarin stellte Laternen auf die Fensterbank, um den Kindern gegenüber etwas Licht zu geben.

Nach vier Stunden war die Strasse still. Kein Motor, kein Bildschirm nur Stimmen und Lachen.
Und inmitten dieses plötzlichen Stillstands wirkte alles … friedlicher.
Anton stand an der Ecke, das Telefon in der Hand. Der Akku blinkte schwach.
Er blickte hinüber zu den Häusern, in denen die Anlagen weiterliefen, zuverlässig, unaufgeregt.

Er wusste: Technik war wichtig. Aber Vertrauen war entscheidend.
Sechs Stunden Dunkelheit hatten mehr Licht geschaffen als sechs Monate Normalität.

Als die Stromversorgung kurz nach Mitternacht zurückkehrte, flackerten Bildschirme, Heizungen surrten, Kaffeemaschinen blinkten.
Und doch blieb etwas anders.
Die Strasse war nicht mehr nur eine Reihe Häuser, sie war wieder ein Ort, an dem Menschen wussten, wer neben ihnen wohnt.

Anton lächelte.
Er sah auf die Anzeige seines Systems. „Batterie: 72 % verbleibend.“
Er klappte das Gerät zu.

Sicherheit, dachte er, misst sich nicht in Stunden. Sondern in Haltung.

 

„Manchmal zeigt sich Sicherheit nicht, wenn alles funktioniert –
sondern wenn plötzlich alles still ist.
👉 Wie würdet ihr reagieren, wenn die Lichter ausgingen?“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Anton hat eine neue Bühne erhalten

Es gibt Momente, in denen man merkt, dass etwas Grösseres entsteht, als man ursprünglich dachte. Bei Anton war es genau so. Als ich vor Mona...

Bloggerei.de

Blogverzeichnis Bloggerei.de - Internetblogs

TopBlogs.de

TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste

Blogmachine-Widget